mRNA-Impfung gegen Darmkrebs: Individualisierte Therapie der Zukunft

Die mRNA-Technologie und die damit entwickelten Impfstoffe nahmen der Corona-Pandemie ein wenig von ihrem Schrecken. Dabei waren sie eigentlich nur ein „Abfall-Produkt“ der Krebsforschung. „Der COVID-Impfstoff war für BioNTech ein Easy Game, ein leichtes Spiel“, sagt Prof. Dr. Dirk Arnold, Ärztlicher Direktor des Asklepios Tumorzentrum Hamburg (ATZHH). „Es gab nur einen Gegenspieler, das – abgesehen von Mutanten – immer gleiche Coronavirus. In der Onkologie ist das sehr viel komplizierter, denn jede Krebsart hat ihre eigene Genetik – die dann von Patient zu Patient sehr unterschiedlich ist.“

Was der Professor damit meint: Um mit der mRNA-Technologie in der Krebsmedizin erfolgreich behandeln zu können, muss die Vakzine individuell für jeden Patienten und jeden Tumor hergestellt werden. In einer seit August 2021 laufenden, von BioNTech initiierten Studie bekommen Darmkrebspatienten in Hamburg mRNA-Medikamente, die das Immunsystem für Tumorreste sensibilisieren sollen.

„Man wird damit noch keinen großen Primärtumor therapieren oder eine ausgedehnte Metastasierung heilen können“, sagt Prof. Arnold. „Wir konzentrieren uns im ersten Schritt auf Patienten, die nach OP und Chemo noch Restmengen von Tumor-DNA im Blut haben.“

Möglich werden solche neuen Therapiewege nur, weil die Onkologie die Karzinomgenetik immer besser versteht. Die Erforschung von mRNA-Impfstoffen bei Darmkrebs bietet vielversprechende Perspektiven für die Zukunft der personalisierten Krebsbehandlung. Mit einer stärkeren Fokussierung auf die individuellen genetischen Merkmale von Tumoren könnten neue Impfstoffe und Therapieansätze entwickelt werden, um die Wirksamkeit der Behandlung zu verbessern und die Lebensqualität der Patienten zu steigern. „Die Tumorvakzinierung ist eine von verschiedenen Immuntherapien, die in der modernen Onkologie schon erfolgreich zum Einsatz kommen“, so Arnold weiter. „Sie könnte ein weiterer Baustein in unserem Therapeutika-Instrumentarium werden.“

Die Zukunft der Darmkrebsbehandlung: Personalisierte mRNA-Impfstoffe

Die fortschreitende Erforschung der mRNA-Technologie eröffnet vielversprechende Perspektiven für die personalisierte Behandlung von Darmkrebs. Individuell hergestellte mRNA-Impfstoffe könnten dabei eine zentrale Rolle spielen, indem sie das Immunsystem gezielt gegen Tumorreste aktivieren. Diese innovative Therapieform zielt darauf ab, die Wirksamkeit der Behandlung zu verbessern und die Nebenwirkungen zu minimieren.

Die Impfung gegen Darmkrebs mit mRNA-Impfstoffen ist ein vielversprechender Ansatz, der darauf abzielt, die spezifischen genetischen Merkmale des Tumors jedes einzelnen Patienten zu berücksichtigen. Durch die individuelle Anpassung der Impfstoffe können gezielte Immunantworten gegen den Tumor ausgelöst werden, um eine effektive Bekämpfung der Krankheit zu ermöglichen.

Durch die Weiterentwicklung dieser Technologie und die Integration in ganzheitliche Behandlungskonzepte könnte die individualisierte Immuntherapie eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Darmkrebs spielen.

Experteninterview zur richtigen Ernährung mit Dr. Matthias Riedl

Eine Folge der Zuckervergiftung unserer Gesellschaft

EXPERTE

Magen-Darm-Spezialist Dr. Matthias Riedl

Dr. Matthias Riedl

Medicum Hamburg 

Experte-Dr.Matthias-Riedl

Dr. Matthias Riedl ist Internist, Ernährungsmediziner, Diabetologe und ärztlicher Leiter des Medicum Hamburg, Europas größtem Zentrum für Ernährungsmedizin und Prävention sowie Adipositas. Riedl hat zahlreiche Bücher zum Thema Ernährung geschrieben, die App myFoodDoctor entwickelt und gehört mit seinem TV-Format „Die Ernährungs-Docs“ zu den Quotenhits im NDR- und WDR-Fernsehen.

Ist Ernährung viel zu lange als Medizin vernachlässigt worden?

Dr. Matthias Riedl: Das ist der Punkt. Ernährungsmedizin ist lange vernachlässigt worden. Obwohl sie mit Blick auf die antiken griechischen Ärzte eigentlich eine der ältesten Fachrichtungen ist. Aber sie ist völlig in Vergessenheit geraten. In den vergangenen Jahren sind eine Vielzahl von Forschungsergebnissen vorgelegt worden, die ganz klar zeigen, wie elementar wichtig eine artgerechte Ernährung ist. Das betrifft nicht nur naheliegende Krankheitsbilder wie Fettleibigkeit oder schlechte Cholesterinwerte, selbst Krebspatienten profitieren nachweislich von einer richtigen Ernährung. Zurzeit ist es so, dass 30 Prozent der an Krebs erkrankten Menschen bei uns aufgrund einer Mangelernährung regelrecht verhungern. Sie sterben nicht am Krebs. Das ist solide belegt.

Die Menschheit gibt’s schon so lange. Haben wir das Essen verlernt?

Dr. Matthias Riedl: Die Pima-Indianer lebten als Überlebenskünstler jahrhundertelang in der Wüste von Neu Mexiko, wo Karl May seine Bücher spielen lassen hat. Dort gibt’s keinen Regen und überhaupt nichts, was uns veranlassen könnte, sich da länger als zwei Tage aufzuhalten. Wenn sie essen wollten, mussten sie dafür jagen oder sammeln. Nachts konnten sie nicht an den Kühlschrank gehen. Frühstück stand auch nicht einfach auf dem Tisch. Da mussten sie sich erst drum kümmern. Dann kamen die Europäer, später die Reservate und mit ihnen der American Way of Life. Ergebnis: 90 Prozent dieser Indianer haben heute schwerstes Übergewicht und die Hälfte von ihnen leidet an Diabetes.

Was können wir aus dem Beispiel lernen?

Dr. Matthias Riedl: Wir brauchen Pausen vom Essen, die es in unserer Entwicklungsgeschichte immer gegeben hat. Darauf hat sich unser Stoffwechsel eingestellt. Essen bedeutet immer auch eine Belastung für unser Immunsystem. Es muss permanent schauen, was kommt da rein und ob da nicht vielleicht Krankheitserreger drin sind. Das Immunsystem soll aber nicht nur Anschläge von außen verhindern. Es soll auch im Körper zum Beispiel Krebszellen oder Reste von Entzündungen beseitigen. Dafür braucht das Immunsystem Kapazitäten. Deswegen ist das Nacht- oder Intervallfasten ideal, weil der Körper dann richtig aufgeräumt werden kann. Autophagozytose heißt dieser Prozess, den der Japaner Yoshinori Ohsumi beschrieben und dafür 2016 den Nobelpreis bekommen hat.

Intervallfasten ist also nicht eine von vielen Mode-Diäten?

Dr. Matthias Riedl: Ich halte überhaupt nichts von Diäten. Intervallfasten bedeutet, dem Körper mindestens 12, besser 16 Stunden am Tag Zeit für die Phagozytose zu geben.

In den verbleibenden 8 oder 12 Stunden können wir essen, was wir wollen?

Dr. Matthias Riedl: Nein, die zwei oder drei Mahlzeiten müssen richtig satt machen. Das erreichen wir durch zwei wichtige Elemente in der Ernährung. Das ist erstens ein hoher Gemüseanteil. Gemüse wirkt einfach über die Magenfüllung und die Dehnung, das ist ein Sättigungssignal. Zweitens ist wichtig, dass wir die richtige Menge Eiweiß oder Proteine bekommen. Pro Kilogramm Körpergewicht sollte es etwa ein Gramm Eiweiß pro Tag sein. Bei älteren Menschen und Sportlern sind es bis zu 1,8 Gramm. Kommen aber zu viele Proteine, werden sie vom Körper in Fett umgewandelt.

Gemüse macht über das Volumen satt?

Dr. Matthias Riedl: Das Volumen und die Eiweißmenge. Es gibt eine sehr gute Theorie, das Protein Leverage. Eiweiß ist ein lebenswichtiger Baustein für die Muskulatur. Stichwort Kampf und Überleben. Deswegen misst der Körper ständig die Eiweißaufnahme und wenn er die notwendige Eiweißaufnahme hat in einer Mahlzeit, dann signalisiert der Körper Sättigung.

Sättigung setzt auch nach vier oder fünf Toast ein …

Dr. Matthias Riedl: Hält aber nur drei Stunden. Wer statt der fünf Toast drei Eier isst, hat 25 Gramm Eiweiß zu sich genommen. Das reicht für fünf Stunden. Trinken ist übrigens auch nicht zu unterschätzen. Flüssigkeit füllt ebenfalls den Magen. Wir kommen in der Folge nicht in Versuchung, etwas zu essen. Das kann beim Intervallfasten helfen.

Was ist mit Kohlenhydraten? Brauchen wir die nicht?

Dr. Matthias Riedl: Kohlenhydrate sind der Treibstoff für unsere Muskeln. Es ist ein Irrglaube, dass wir sie nicht brauchen. Es gibt einen indigenen Stamm in Brasilien, den sich Forscher genauer angesehen haben. Große Überraschung: Ihre Ernährung besteht zu 80 Prozent aus Kohlenhydraten. Aber die Art der Kohlenhydrate ist das Entscheidende. Die essen Blätter, Wurzeln, Pilze, Gemüse und Früchte. Das sind alles eingepackte Kohlenhydrate mit vielen Ballaststoffen oder sekundären Pflanzenstoffen. Und eben nicht Mais, geschälter Reis, Kartoffeln und Weizen. Gemüse enthält für den normalen Menschen völlig ausreichend Kohlenhydrate.

Doch wir holen uns viele Kohlenhydrate aus Backwaren wie Weißbrot. Wenn Sie durch den Hamburger Hauptbahnhof gehen, sehen Sie nur Kohlenhydrate. Der klassische Kohlenhydrate-Verkaufsstand, meistens noch mit Fett. Bei Ratten löst das im Tierversuch Fressattacken aus.

Ist das brasilianische Amazonas-Volk nachweisbar gesünder mit dieser Ernährung?

Dr. Matthias Riedl: 700 dieser Menschen wurden genau – auch im MRT – untersucht. Teilweise sehr alte Leute von 80 oder 90 Jahren. 85 Prozent sind völlig frei von Atherosklerose. Nur 13 Prozent zeigen diese Schädigung der Blutgefäße. Bei uns ist es genau andersrum: Deutlich über 80 Prozent haben Arteriosklerose oder hohe Arteriosklerose-Risiken.

Junge Menschen haben schon Arterienverkalkung?

Dr. Matthias Riedl: Im Vietnamkrieg, als viele junge Männer auf dem Seziertisch lagen, haben die Ärzte das schon bei 20 oder 25 Jahre alten Soldaten festgestellt. So eine Atherosklerose kommt nicht über Nacht am 50. Geburtstag. Die wächst über Jahrzehnte. Und man muss klar sagen, das ist auch eine Folge der Zuckervergiftung unserer Gesellschaft.

Zuckervergiftung klingt dramatisch …

Dr. Matthias Riedl: Die WHO sagt, es sollten nicht mehr als 25 Gramm Zucker am Tag sein. Alles, was darunter liegt, ist okay. Das ist aber schnell voll. Mit einem kleinen Alster-Wasser haben Sie die 25 Gramm schon drin. Die deutschen Ernährungsgesellschaften empfehlen als Grenze 50 Gramm Zucker pro Tag. Aber die Realität liegt beim Doppelten, über 100 Gramm täglich. Ab dieser Menge steigt das Risiko für Arterienverkalkung und damit auch Herzinfarkt drastisch an. 100 Gramm am Tag, das ist nur eine halbe Tafel Schokolade.

Was passiert im Körper, wenn wir zu viel Zucker essen?

Dr. Matthias Riedl: Entscheidend ist, wie stark der Blutzuckeranstieg nach dem Essen ausfällt. Der ist nach Gemüse sehr, sehr gering. Auch nach Vollkornprodukten ist der Zuckeranstieg sehr gering. Je höher der Zuckeranstieg im Körper, desto stärker muss der Körper mit Insulin dagegen an arbeiten. Und das Insulin unterdrückt den Fettabbau. Wer viel Zucker isst, zwingt seinen Körper, viel Insulin zu produzieren – und Insulin wirkt fettaufbauend. Wer den ganzen Tag über Snacks isst, möglichst noch mit viel Zucker dabei, hat ständig einen hohen Level an Insulin im Körper. Der Fettabbau ist also ständig gebremst. Geht’s dann nachts noch an den Kühlschrank, ist das der Gegenentwurf zum Essen mit Pausen.

Nicht jeder schafft es, regelmäßige Mahlzeiten einzuhalten und plötzlich ist der Hunger da.

Dr. Matthias Riedl: Zwischendurch Hunger zu bekommen, ist kein Problem. Dann sind Nüsse ideal. Nüsse sind auch Bestandteil der artgerechten Ernährung. Nüsse liefern so viel Eiweiß wie Fleisch. Und die Ballaststoffe in den Nüssen machen satt. Es sind alle Vitamine und Spurenelemente drin, die wir brauchen.

Besser leben mit Nüssen?

Dr. Matthias Riedl: Es gab eine Studie, in der hat man Nuss-Esser mit Nicht-Nuss-Essern verglichen und festgestellt: Obwohl die Nuss-Esser mehr Kalorien zu sich nehmen, wogen sie im Schnitt zwei bis drei Kilo weniger. Sie hatten einen niedrigeren Blutzucker und sie hatten einen niedrigeren Blutdruck. Sie hatten auch bessere Blutfettwerte. Klingt unlogisch, weil sie mit den Nüssen doch mehr Kalorien gegessen haben. Trotzdem sind sie gesünder und wiegen weniger. Die Erklärung dafür ist, dass Nüsse durch das Eiweiß ein Quasi-Gemüse sind. Sie machen sehr schnell satt. Wenn Sie 100 Gramm Nüsse essen, sind Sie erstmal wirklich satt.

Gibt es eine Grenze, wann ein Bauch kritische Dimensionen annimmt? Beginnt das oberhalb eines BMI von 25?

Dr. Matthias Riedl: Der BMI ist gar nicht aussagekräftig. Arnold Schwarzenegger hatte in seiner besten Zeit einen BMI von 33. Den können Sie auch mit Muskelmasse in die Höhe bringen. Das Fett unter der Haut ist auch total uninteressant. Es ist das Fett unter der Muskelschicht. Das Fett im Bauch. Die Rolle, die sie so fassen können, ist völlig uninteressant. Das ist eine Frage der Kosmetik. Viele Männer haben ganz wenig Hautfettgewebe, aber unter der Muskulatur einen so dicken Bierbauch. Das ist total ungesund.

Hier das komplette Interview auch als PDF-Datei zum Download.

Bibliographie, ausgewählte Bücher von Dr. Matthias Riedl: